Kürzlich hatte ich die Gelegenheit mit Verena Dietl zu sprechen. Lesen Sie selbst, was die dritte Bürgermeisterin unserer Stadt bewegt, was sie antreibt und wie sich ihr Leben verändert hat.
TB: Liebe Verena, zunächst ganz herzlichen Glückwunsch zur Wahl zur Bürgermeisterin unserer wunderschönen Stadt. Die erste Laimerin, die dieses Amt bekleidet. Wie geht es dir?
VD: Ganz gut. Es ist sehr schön, nach 12 Jahren nur noch einen Job zu haben. Ich kann mich jetzt voll und ganz auf die Arbeit als Bürgermeisterin konzentrieren und muss mich nicht mehr zerteilen zwischen der Politik und meinem Job. Corona bedingt sind die Wochenenden derzeit mehr oder weniger frei, das kannte ich schon seit vielen Jahren nicht mehr.
TB: Was treibt dich an, Politik zu machen?
VD: Für mich war immer klar, dass ich ausschließlich Kommunalpolitik machen möchte. Das habe ich seinerzeit im Laimer Bezirksausschuss kennengelernt. Dort hatte ich das Glück, mit dem für mich immer vorbildhaften Josef Mögele zusammen zu arbeiten und viel von ihm zu lernen. Wie der auf die Menschen zugeht, das ist einmalig. Denn mir war und ist es immer wichtig, mich für die Belange der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Und mich jetzt nach fast 20 Jahren in der Kommunalpolitik, dem voll und ganz widmen zu können, darüber bin ich sehr froh. Besonders schön ist es, den Menschen in der Stadt, in der ich geboren bin und in der ich immer gelebt habe, jetzt aus diesem Amt heraus etwas zurückgeben zu können.
TB: Was hat sich jenseits von Corona für dich verändert?
VD: Zunächst ist es Corona bedingt im Moment so, dass ich sehr geregelte Arbeitszeiten habe, weil derzeit so gut wie keine Abendtermine stattfinden. Das ist natürlich für die Einarbeitung sehr angenehm, weil ich mich damit mit den ganzen Verwaltungsabläufen vertraut machen kann. Und das ist unerlässlich, um das Amt wirklich gut ausfüllen zu können. Dafür war es auch wichtig, dass mir trotz eines neu zusammengestellten Teams zwei bewährte Kräfte meiner Vorgängerin geblieben sind. Die sind mit den ganzen Abläufen vertraut, was sehr wichtig war, weil doch einige Zuständigkeiten dazu gekommen sind. Dazu zählt ein weiterer Ausschuss und zwei Aufsichtsratsmandate, die jetzt bei mir angesiedelt sind. Das wird von der gleichen Anzahl an Mitarbeiter*innen gestemmt. Glücklicherweise konnte ich Matthias Jörg, den bisherigen Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion für die Leitung meines Büros gewinnen. Er und die beiden erfahrenen Assistenten, die mir von meiner Vorgängerin geblieben sind, haben mir die ersten Wochen, bis das Team vollständig besetzt war, quasi gerettet. Wir haben uns da - wie man so schön auf bayerisch sagt - erst mal durchgewurschtelt. Und jetzt nach einigen Wochen haben wir den Überblick und kennen bereits die verschiedenen Farben der Mappen ... (lacht)
TB: Als ich eine Nachricht von der Mail-Adresse deines Büros bekommen habe, dachte ich zuerst, dass ist jetzt wieder so eine Spam-Sache, bis ich verstanden habe, dass einer deiner Mitarbeiter die Interviewanfrage beantwortet. Und sofort stand die Frage im Raum: Oh Gott, oh Gott, wie hoch wird der Grad an Fremdbestimmung bei der Verena wohl sein?
VD (lacht): ... nach vielen Jahren umfangreicher Selbstbestimmung ist da natürlich einiges anders geworden. Das ist zwar schon eine erhebliche Umstellung und ich muss lernen, das wirklich meinem Büro zu überlassen. Gleichzeitig merke ich aber auch, dass die das viel besser im Griff haben und auch nur das annehmen und zulassen, was ich auch wirklich schaffen kann. Wir alle neigen doch dazu, unsere Kalender mit mehr zu füllen, als wir tatsächlich bewältigen können. So schützen mich meine Mitarbeiter*innen jetzt davor, dass ich mich überlaste. Bei der Fülle an Aufgaben, vor allem den repräsentativen Verpflichtungen, ist es für mich wirklich extrem hilfreich, wenn mir mein Büro den ganzen organisatorischen Krempel abnimmt. Darüber hinaus können die viel besser Nein sagen als ich. (lacht) Was auch eine große Umstellung für mich ist, ich habe jetzt einen Fahrdienst. Auch etwas, an das ich mich erst gewöhnen musste, was ich heute aber auch als sehr hilfreich empfinde. Für mich ist das wie ein mobiles Büro und ich kann die Fahrzeiten von Termin zu Termin sehr effektiv für Telefonate und Besprechungen mit meinem Team nutzen. Wie du ja weißt, bin ich passionierte Radlerin und nehme mir immer wieder vor, mit dem Rad ins Rathaus zu fahren. Ich weiß nur nicht wie ich die ganzen Akten und Mappen zur Unterzeichnung dabei mitnehmen soll. Aber es ist mir doch schon einige Male gelungen ...
TB: ... dann wirst du sicher bald einen Antrag auf eine Dienst-Rikscha stellen ...
VD (lacht): ... mein Fahrer ist zwar sportlich, aber manchmal müssen wir quer durch die ganze Stadt. Da kommen einige Kilometer zusammen. Trotz aller Kritik an zu viel Verkehr und verstopfen Straßen, wäre der Job ohne Auto nicht zu bewältigen. Das mobile Büro ist einfach sehr hilfreich.
TB: Wie ist eigentlich die Ressortverteilung zwischen OB und den beiden hauptamtlichen Bürgermeister*innen?
VD: Das ist im wesentlichen ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Natürlich schauen wir darauf, dass die Themen, für die wir besonders leidenschaftlich sind, bei uns landen, und genau so macht es der Koalitionspartner. So war es relativ schnell klar, dass so Themen wie Mobilität und Umwelt neben Kultur sowie Arbeit und Wirtschaft bei den Grünen landen werden und die eher sozialen Themen sowie Gesundheit, Bildung, Familie, Sport, Integration und Inklusion etc. von mir verantwortet werden. Darüber hinaus ist bei mir noch das Thema Kommunales angesiedelt.
TB: Bildung, Sport, Gesundheit etc. da kann ich mir sehr konkret etwas drunter vorstellen. Kommunales klingt da eher abstrakt. Was darf ich mir darunter vorstellen?
VD: Im Bereich Kommunales geht es um städtische Liegenschaften, Märkte, Forstbetriebe, das Abfallwirtschaftsamt, alles was mit Immobilien zu tun hat, Vorkaufsrechte auf Grundstücke und Gebäude usw. Und damit spielt das Thema Wohnen natürlich eine zentrale Rolle in meiner Amtsführung, denn die Zuständigkeit für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurden vom OB an mich übertragen. Insgesamt nimmt das Kommunalreferat eine ganz wichtige Schnittstellenfunktion in der Verwaltung unserer Stadt ein. Hier laufen nahezu alle Fäden zusammen und von dort aus werden viele ressortübergreifende Projekte koordiniert. Du siehst, als Verantwortliche für Kommunales bin ich einerseits dafür verantwortlich, dass es denen gut geht, die täglich unseren Müll wegräumen, und ich andererseits genauso verantwortlich dafür bin, dass Grundstücke in München sozial gerecht verwertet werden. Ein extrem spannendes und herausforderndes Ressort.
TB: Was bedeutet es für dich, in Zeiten wie diesen, das Ressort Gesundheit zu verantworten?
VD: Gerade in Zeiten wie diesen bin ich als neu gewählte Bürgermeisterin, die für das Ressort Gesundheit verantwortlich ist, sehr stark gefordert. Da gibt es viel zu tun und viele Gespräche zu führen, denn es gibt eine Fülle an Maßnahmen zu koordinieren, um eine weitere Ausbreitung einzudämmen und gleichzeitig geht es darum, uns hinsichtlich genereller Pandemie-Vorsorge robust aufzustellen. Das ist die eine Seite davon. Die andere Seite ist, das betone ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit: Es ist richtig und wichtig, die wirtschaftlichen Aspekte genau im Blick zu haben. Und genauso richtig und wichtig ist es, danach zu schauen, wie es den Menschen damit geht, was es mit ihnen macht. Im Mittelpunkt meines Interesses stehen die Menschen und erst danach die Betriebe und Organisationen. Es ist mir wichtig, zu wissen wie es den Familien geht, die von Kurzarbeit betroffen waren und sind. Ich will wissen, was es mit den Familien macht, wenn sie gleichzeitig Homeoffice und Homeschooling bewältigen müssen. Das geht doch nicht alles spurlos an uns vorbei. Das ist mir ein wirkliches Anliegen, frühzeitig genug erkennen, wenn es Handlungsbedarf gibt.
TB: Vor ein paar Tagen habe ich in der SZ die Headline gelesen: Bürger und Politiker müssen einander wieder mehr vertrauen. Wie glaubst du kann das gelingen?
VD: Vertrauen kann ich nur dadurch herstellen und dauerhaft erhalten indem ich die Politik, die ich verantworte, glaubwürdig mache. Das bedeutet immer und immer wieder das Gespräch suchen, die Anliegen der Menschen ernst nehmen, und wirklich jede Frage der Menschen beantworten, die an mich herangetragen wird. Glaubwürdig mache ich mich nicht dadurch, dass ich den Leuten nach dem Mund rede, sondern dadurch, dass ich tue was ich sage. Also reden und handeln erkennbar in Übereinstimmung bringen. Denn bei allen Entscheidungen, die ich treffe, bin ich den Menschen gegenüber verpflichtet, ihnen zu erklären und gut zu begründen, warum ich wie entschieden habe. Ich halte nichts davon, Zusagen zu machen, die ich am Ende nicht einhalten kann. Das führt zu berechtigter Enttäuschung und damit zu Vertrauensverlust. Kurzum: Immer und immer wieder das Gespräch suchen.
TB: Was ist dir eine echte Herzensangelegenheit, die du als Bürgermeisterin angehen willst?
VD: Trotz Corona-Zeiten und vieler Themen, die in diesem Zusammenhang aktuell wichtig und dringend sind, gibt es eine Sache, die mir ganz besonders am Herzen liegt. Ich möchte recht zügig eine Kinder- und Jugendsprechstunde mit mir im Rathaus einführen. Ich bin Sozialpädagogin und komme aus der Kinder- und Jugendarbeit. Und ich will eine Bürgermeisterin sein, zu der Kinder und Jugendliche jederzeit Zugang haben können, und dass da jemand ist, der sich für ihre Belange interessiert, sie ernst nimmt, und dass sowas wie eine Bürgermeisterin nicht eine abgehobene Sache ist.
TB: Wir sind ja damit eingestiegen, dass du die erste Bürgermeisterin bist, die aus Laim kommt, worauf im übrigen dein Heimatortsverein sehr stolz ist. Du bist hier geboren und aufgewachsen ...
VD: ... genau, ich bin am 24. Juni 1980 um kurz vor 12 Uhr nachts in der Fürstenriederstraße bei einer Hausgeburt zur Welt gekommen. Und auch meine Vorfahren wurden schon in Laim geboren und sind dort aufgewachsen. Mein Urgroßvater hat sich damals als Eisenbahner in einer der Eisenbahnersiedlungen niedergelassen und so verknüpft sich ein Teil der Laimer Geschichte mit meiner persönlichen Lebensgeschichte. Ich wohne heute mit meinem Lebensgefährten und meinen zwei Kindern in Laim und möchte hier auch gar nicht weg. Und wenn ich jetzt auch noch höre, dass mein Ortsverein stolz auf mich ist ... (lacht) Darüber hinaus bekomme ich natürlich auch von den Laimer Bürger*innen und von meinen Nachbarn mit, wie auch sie es mit Stolz erfüllt, dass ein Laimer Kindl heute ihre Bürgermeisterin ist.
TB: Zwar habt ihr das im Wahlkampf immer wieder betont, die ganz Stadt im Blick zu behalten. Aber welche spezifischen Laimer Themen brennen dir in besonderer Weise unter den Fingernägeln? Welches sind Projekte oder Vorhaben in Laim, für die du dich in besonderer Weise einsetzen möchtest?
VD: Ja, da gibt es das Vorhaben, ein kulturelles Zentrum hier in Laim zu errichten. Das begleitet mich, seit ich vor 18 Jahren zum ersten Mal in den Bezirksausschuss gewählt wurde und damit quasi mein bisheriges gesamtes politisches Leben. Es gibt zwar das sehr intensiv genutzte Interim, wir brauchen aber darüber hinaus weitere Räumlichkeiten, um den Menschen hier vor Ort in Laim ein kulturell inspirierendes und attraktives Angebot zu machen. Das Bauvorhaben an der Westend-/ Ecke Zschokkestraße ist dafür prädestiniert, und dafür werde ich mich einsetzen. Und was mir ein wirkliches Anliegen ist, die Fürstenriederstraße im Rahmen der Baumaßnahmen zur Tram-Bahn-Westtangente wirklich schöner zu machen und sie endlich aus dem Status des Autobahnzubringers und bevorzugter Strecke für private Autorennen herauszuholen. Wenn ich das noch erleben dürfte, würde mich das wirklich sehr glücklich machen. Da arbeiten wir auch schon seit einer halben Ewigkeit dran. Das wären die Projekte, die mir in Laim besonders am Herzen liegen.
TB: Liebe Verena, vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast.
VD: Sehr gerne. Ich danke dir auch.
Thomas Brinkmann, München 04.08.20