Josef Mögele - Doppeltes Jubiläum wird doppelt gefeiert

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03. Mai 2019

35 Jahre Vorsitzender des Bezirksausschusses Laim & 50 Jahre SPD Mitglied - anlässlich dieses doppelten Jubiläums hat Thomas Brinkmann sich mit Josef Mögele unterhalten.

TB: Josef, 1984 war in zweierlei Hinsicht ein besonderes Jahr. Einerseits ist der FC Bayern nicht deutscher Fussballmeister geworden und andererseits bist du erstmalig in den Bezirksausschuss Laim gewählt und gleich dessen Vorsitzender geworden. Erzähl, wie war das damals?

JM: Meine ersten Lebensjahre habe ich in Giesing verbracht, da ist man 60er. Deswegen war mir das relativ wurscht, ob die Bayern Meister werden. Ich kann mich noch an mein erstes Fußballspiel im Stadion erinnern, da war ich dreieinhalb und saß auf den Schultern meines Vaters. Das war im Grünwalder Stadion und da hat weiß-blau gespielt.
Und die Wahl in den Bezirksausschuss, das war seinerzeit noch anders als heute. Damals gab es noch keine extra Liste für die Bezirksausschusswahlen. Das Wahlergebnis im Stadtbezirk aus den Stadtratswahlen bestimmte die Sitzverteilung im Bezirksausschuss und es zeichnete sich ab, dass die SPD die größte Fraktion sein wird und damit den Vorsitzenden stellen wird. Der damalige Kämmerer der Landeshauptstadt München, Max von Heckl, war SPD-Mann und der sagte zu mir: „Da musst du nei, wir brauchen einen Vorsitzenden und du wirst Vorsitzender.“ Das war allerdings gar nicht so einfach, denn mein Vater war seit vielen Jahren Mitglied des Bezirksausschusses. Die Gemeindeordnung sah damals vor, dass Vater und Sohn nicht zugleich Mitglieder im selben Gremium sein durften. Demnach durfte die Partei meinen Vater nicht mehr in den BA entsenden. Ich war zuvor noch nie in einer BA-Sitzung und bin in meiner allerersten Sitzung gleich zum Vorsitzenden gewählt worden. Heute undenkbar.

TB: Was hat das seinerzeit bedeutet, Vorsitzender des Bezirksausschusses zu sein? Wenn du das damit vergleichst, wie es sich in den vergangenen 35 Jahren entwickelt hat, was war seinerzeit anders bzw. was ist heute anders?

JM: Wie man wahrgenommen wird hat sich sehr verändert. Seinerzeit war man Bürger unter Bürgern, heute wird man von den Bürgern eher als Parlamentarier wahrgenommen. Die Funktion als unterstes kommunales Gremium ist eine beratende, quasi ein Bindeglied, das die Interessen und Belange der Bürger zum Stadtrat hin vertritt. Jeder Bürger kann sich mit seinen Anliegen an den Bezirksausschuss wenden. Das war damals nicht anders als heute.

TB: Was war seinerzeit deine Motivation, dich im Bezirksausschuss zu engagieren?

JM: Ganz einfach: dabei helfen, dringende Probleme zu lösen. Denn die gab es schon 1984 mehr als genug. Einige davon begleiten uns seit nunmehr 35 Jahren. Da stehen ganz vorne die Themen Wohnungsbau und Verkehr. Und weil ich der Überzeugung bin, dass die Lösungen möglichst lokal und nah bei den Menschen herbeigeführt werden müssen, war es für mich klar, dass ich da Verantwortung übernehmen will. Schon 1984 zeichnete sich ab, dass unsere Stadt wachsen wird und die Probleme nicht weniger werden, also haben wir darauf gedrängt, dass den Bezirksausschüssen mehr Kompetenzen übertragen werden. Doch auch heute noch ist die Einsicht im Stadtrat begrenzt, da kümmert man sich lieber selbst um jede „blöde“ Parkbank.

TB: Damit sprichst du eine sehr interessante Sache an. Eine Stadt wie München mit mittlerweile nahezu 1,6 Millionen Einwohnern und damit von der Einwohnerzahl her größer als manches Bundesland und Laim mit seinen mehr als 55.000 Einwohnern ist zu vergleichen mit einer Mittelstadt, das ist soviel wie Landshut. Bewegen wir uns da eigentlich noch in den richtigen Strukturen?

JM: Nein! Ganz klar gesagt: Nein! Ich bin für eine konsequente Dezentralisierung der Verwaltung und zwar auf Stadtbezirksebene. Durch die Zentralisierung unserer Verwaltung, und das betrifft alle Referate, vom Planungsreferat mit der Lokalbaukommission bis zum KVR, verlieren die Mitarbeiter dort den Bezug zum Stadtbezirk, für den sie zuständig sind. Grundsätzlich sieht die Gemeindeordnung vor, dass in den Gemeinderäten jeweils jemand aus der Verwaltung dabei sitzt, nur das bekommen wir bei der Größe Münchens nicht hin. Die Folge davon ist, dass für uns ein erheblicher Aufwand bei der Wahrung der Bürgerinteressen entsteht. Briefe mit zig Seiten an Anhängen, die im Verwaltungsmoloch kreisen. Alle Angelegenheiten des täglichen Lebens der Bürger wie Verkehr, Gaststätten usw. müssen dezentral bearbeitet und entschieden werden. Denn es kann nicht sein, dass unsere Seniorinnen und Senioren, wenn sie ihre Ausweise oder Pässe erneuern wollen, sich zuerst einen Termin online holen müssen und dann den weiten Weg ins KVR antreten müssen. Wir brauchen eine dezentrale bürgernahe Verwaltung mit kurzen Wegen.

TB: Was sind zurückblickend auf 35 Jahre BA-Vorsitz die Themen, Aktionen, Ereignisse, die deine Arbeit in besonderer Weise geprägt haben?

JM: Das BA-Geschäft ist ein langfristiges Geschäft, für das man einen langen Atem und viel Geduld braucht. Einer der für mich - auch persönlich - größten Erfolge ist die Erhaltung der Alten Heimat. Die nicht abzureissen und stattdessen bis zu 10 Stockwerken hohe Mietshäuser, die sich die jetzigen Bewohner nicht hätten leisten können, dorthin zu setzen. Da habe ich bestimmt 5-6 Jahre furchtbar drum gekämpft.

TB: Um was ist es da genau gegangen?

JM: Nach dem Krieg haben Münchener Geschäftsleute die Stiftung Alte Heimat ins Leben gerufen. Die hatte den Zweck, schnell und günstig Häuser zu errichten, um den im Krieg ausgebombten Leuten wieder ein Zuhause zu geben. So ist die Siedlung Alte Heimat an der Zschokkestraße mit sehr viel grün drumherum in den 50er Jahren entstanden. Die Gebäude waren natürlich in die Jahre gekommen und vor etwa 10 Jahren ist es losgegangen, dass an die Stelle von Sanierungsplänen Neubaupläne getreten sind. Seitens des Bezirksausschusses haben wir uns dafür eingesetzt, die Häuser in ihrem Bestand zu erhalten und ggf. an der Nordseite zur Zschokkestraße hin einen Riegel aus Lärmschutzgründen davor zu bauen. Mit Hilfe der Architekten ist es uns gelungen, alle Grünflächen zu erhalten und die Häuser zu ertüchtigen. Es gab neue Dächer, Wärmedämmung, neue Eingangstüren und die Balkone wurden wieder sicher gemacht. Das hat mich seinerzeit sehr berührt, war es doch ganz offenkundig so, dass seitens der Investoren ausschließlich die Rendite im Vordergrund stand. Und das geht nicht. Es ist wichtig, dass sich die Menschen in ihren Wohnvierteln wohl fühlen und sie sich vor allem die Mieten auch noch leisten können. Und dafür muss ich auch mal etwas bewahren.
Seit vielen Jahren schon diskutieren wir über ein anderes Bodenrecht. Das hatte in den 70ern schon Hans-Jochen Vogel in seiner Zeit als Justizminister ausgearbeitet, war aber damals an der FDP gescheitert. In der Zeit bin ich dafür als Jungsozialist im Hofbräuhaus auf die Barrikaden gestiegen und habe dafür gekämpft. In einem lebendigen und lebenswerten Viertel brauche ich einen Ausgleich der Faktoren Arbeiten, Wohnen, Erholung und Nahversorgung. Wenn ich alles zubaue und die Freiflächen zu stark reduziere, fahren die Leute zur Erholung an den Starnberger See. Leider nicht alle mit dem Fahrrad. Es wird nicht ausreichend ganzheitlich gedacht. Raumplanung findet quasi gar nicht statt. Das schwierige Verhältnis zwischen München und den Umlandgemeinden erschwert zusätzlich eine gemeinsame und zukunftsorientierte Vorgehensweise.

TB: Und wie gehen du und die anderen BA-Mitglieder damit um?

JM: Das geht mit unserem BA eigentlich ganz gut. Es gibt immer wieder kleine Erfolge. Nach 30 Jahren haben wir erst vor kurzem einen Edeka-Markt im alten Beck-Haus an der Fürstenriederstrasse untergebracht. Was rund um das Beck-Haus in den letzten 30 Jahren inkl. 3 Zwangsversteigerungsterminen los gewesen ist, das kann man sich kaum vorstellen. Und jetzt kommt dann bald die Tram-Linie die Fürstenriederstraße entlang. Die ist beschlossen, selbst wenn es immer noch keinen konkreten Plan gibt. Wenn wir die Stadt weiterentwickeln wollen, müssen wir verdammt viel Geld in die Hand nehmen.

TB: Wie sieht für dich die Verschränkung von Bewahren und Entwickeln aus?

JM: Eine Stadt kann man nicht bewahren, weil sie sonst zu einem Museum wird. Gleichwohl muss man nicht alles Alte platt machen und glauben, alles mit Neubauten lösen zu können. Bewahrenswert ist auf jeden Fall das Laimer Schlößl. Dieses Grundstück mit dem Gebäude muss erhalten bleiben. Jetzt, nachdem es vom Investor erworben wurde, müssen wir uns mit dem zusammensetzen. Dem müssen wir klar machen, was er da gekauft hat. Das muss der verstehen.

TB: Schauen wir nochmal zurück auf 35 Jahre BA-Arbeit. Wie hat sich die Art und Weise, wie die Bürger auf den BA und speziell auf dich zugehen, verändert?

JM: Vor allem die Kommunikation hat sich verändert. Früher haben wir mit den Bürgern viel mehr im direkten Gespräch gestanden. Heute geht sehr viel per E-Mail und damit ist natürlich auch die Erwartung verbunden, zeitnah Antworten zu bekommen, was bei komplexen Sachverhalten nicht immer ganz einfach ist. Ich beobachte auch eine Entwicklung, dass Interessen heute mehr als vor 30 Jahren über Rechtsanwälte gespielt werden und weniger der direkte Dialog gesucht wird. Und wir wissen ja, wenn erst mal Juristen mitspielen, wird es auch noch kompliziert.
Da sind wir Politiker zum Teil auch selbst schuld. Wir achten zu sehr darauf, dass wir in den Medien gut dastehen, statt offen und ehrlich Klartext zu sprechen. Sagen, was Sache ist und nicht um den heißen Brei herum reden. Wer jedermanns Liebling sein will, ist irgendwann jedermanns Depp.

TB: Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen. Wie schauen deine Pläne nach dann 36 Jahren BA- Vorsitz aus?

JM: Ganz ehrlich. Ich habe mir das sehr lange überlegt. Ich werde heuer 70. Eigentlich wäre es an der Zeit aufzuhören. Vor zwei Jahren, als es mir auch gesundheitlich nicht so gut ging, stand der Entschluss fest. Mittlerweile geht es mir wieder gut und viele Sachen, an denen wir viele Jahre gearbeitet haben, kommen jetzt allmählich ins Rollen. Jetzt bin ich wild entschlossen, den Kampf nochmal aufzunehmen. Insgesamt können wir auf 35 Jahre erfolgreiche BA-Arbeit zurückschauen, da müssen wir uns nicht verstecken. Ich werde wieder kandidieren und ich bin davon überzeugt, dass wir ein gutes Team aus jüngeren und erfahrenen Leuten aufstellen werden und in Laim einen offensiven Wahlkampf führen werden. Es gibt auch noch ein paar Themen, die wir anpacken müssen. Zum Beispiel ein Kulturzentrum auf Laimer Boden. Dann das alte Tengelmanngelände, da müssen wir hinschauen und aufpassen, dass da nicht gegen die Interessen unserer Bürger gehandelt wird. Vielleicht bin ich heute auch der Verwaltung gegenüber giftiger als noch vor 20 Jahren. Was die mir alles in den letzten 35 Jahren erzählt haben, da ist es gut, wenn jemand mit meiner Erfahrung genau drauf schaut.

TB: Ich höre raus, dass du nichts von deiner Kampfeslust und deiner Rauflust mit der Verwaltung verloren hast und du eine ganze Reihe an Projekten im Kopf hast, die darauf warten, mit ruhiger Hand und umsichtig auf den Weg gebracht zu werden. Stichwort Trambahn Westtangente. Wie ist deine persönliche Einschätzung, wann wir die Bagger anrollen sehen?

JM: Das wird sicher noch zwei bis zweieinhalb Jahre dauern. Aber das kommt. Viel wichtiger als die Tram wird die Umgestaltung des Laimer Bahnhofs und damit verbunden die Umweltverbundröhre unter den Eisenbahngleisen sein. Laim wird dann der dritt- oder viertgrößte Umsteigebahnhof in ganz Bayern sein. Auch da gilt es, die Interessen unserer Bürger zu vertreten und sehr genau hinzuschauen. Dann kommt noch die Verlängerung der U5 nach Pasing und dann weiter nach Freiham. Genauso wichtig ist, dass die Baumschule erhalten bleibt. Da werde ich um jeden einzelnen Baum kämpfen, wenn es sein muss mit Kalashnikov. Unabhängig von der politischen Farbe sehe ich schon wieder bei einigen Stadträten die Dollarzeichen in den Augen.

TB: Jetzt bin ich auch schon seit gut zehn Jahren in der SPD und habe einige Ideen, was wir insbesondere bezüglich des politischen Stils anders und besser machen können. Wie siehst du das nach 50 Jahren Mitgliedschaft? Was würdest du unserer Partei empfehlen, was sie dringend anders machen sollte, damit sie sich hinsichtlich des Stimmenanteils nicht weiter marginalisiert?

JM: Ganz einfach: Zuhören! Nur zuhören! Und dann das Denken, Reden und Handeln in Übereinstimmung bringen. Das schafft Vertrauen. Die SPD hat nicht alles falsch gemacht. Jeder, der was anpackt, macht auch Fehler. Nur lernen sollte man aus seinen Fehlern und seiner Geschichte. Es gibt so viele interessante und wichtige Themen, die wir nach vorne bringen können. Wichtig ist, den Mut zu haben, für unsere Überzeugungen einzutreten, auch wenn sie sich in den Ohren mancher unbequem anhören. Wir dürfen die Auseinandersetzungen nicht scheuen, wenn es um den richtigen Weg geht. Und darüber hinaus müssen wir uns besser organisieren und zwischen den Ortsvereinen besser zusammenarbeiten. Wir müssen mit einer Zunge sprechen und geschlossen bleiben.

TB: Vielen Dank Josef. Jetzt wünsche ich dir und deinen Gästen eine schöne Jubiläumsfeier und freue mich auf den bevorstehenden Wahlkampf mit dir.

JM: Ich danke dir.

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